| Mittelhochdeutsch |
Übersetzung
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| Sumer, dîner süezen weter müezen wir uns ânen; |
Sommer, auf dein schönes Wetter müssen wir nun verzichten;
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| dirre kalte winder trûren unde senen gît. |
Dieser kalte Winter weckt die Trauer und die Sehnsucht nach dir.
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| ich bin ungetroestet von der lieben wolgetânen. |
Von der lieben Schönen erfahre ich keinen Trost.
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| wie sol ich vertrîben dise lange swaere zît, |
Wie soll ich ich diese lange und schwere Zeit verbringen,
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| diu die heide velwet unde mange bluomen wolgetân? |
in der die Wiesen und viele schöne Blumen verblassen?
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| dâ von sint die vogele in dem walde des betwungen, daz si ir singen müezen lân. |
Die Vögel im Wald quält es, dass sie auf ihr Singen verzichten müssen.
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| Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, |
So hat meine Dame mir das Herz gebrochen,
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| daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage. |
sodass ich die Tage ohne Freude hinter mich bringen muss.
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| ez vervaehet niht, swaz ich ir lange hân gesungen; |
Was auch immer ich ihr lange vorgesungen habe war erfolglos;
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| mir ist alsô maere, daz ich mêre stille dage. |
Mir ist das egal, deshalb schweige ich besser für längere Zeit.
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| Ich geloube niht, das sî den mannen immer werde holt: |
Ich glaube nicht, dass sie den Männern in Zukunft zugeneigt sein wird:
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| wir verliesen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich und jener Hildebolt. |
Es ist umsonst, was auch immer wir singen und raunen, ich und jener Hildebolt.
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| Der ist nû der tumbist under geilen getelingen, |
Er ist nun der Dümmste unter den fröhlichen Gesellen,
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| er und einer, nennet man den jungen Willegêr: |
er und einer, den man den jungen Willegêr nennt:
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| den enkunde ich disen sumer nie von ir gedringen, |
Den konnte ich diesen Sommer nie von ihr wegdrängen,
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| sô der tanz gein âbent an der strâze gie entwer. |
So tanzten sie gegen Abend kreuz und quer.
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| mangen twerhen blic den wurfen sî mich mit den ougen an, |
Manchen schiefen Blick warfen sie mir mit den Augen zu,
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| daz ich sunder mînes guoten willen vor in beiden ie ze sweime muose gân. |
dass ich entgegen meinem Vorhaben das Weite suchen musste.
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| Wê, daz mich sô manger hât von lieber stat gedrungen |
Wehe, dass mich so mancher von dem schönen Ort vertrieben hat
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| beidiu von der guoten unde ouch wîlent anderswâ! |
sowohl von der Guten und auch anderswo!
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| oedelîchen wart von in ûf mînen tratz gesprungen. |
Widerwärtig sprangen sie beim Tanz, was mich verärgert hat.
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| ir gewaltes bin ich vor in mînem schophe grâ. |
Von ihren Gewalttaten werden meine Haare schon ganz grau.
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| doch sô neic diu guote mir ein lützel über schildes rant. |
Doch so verneigte sich die Schöne ein wenig hinter ihrem Schild vor mir.
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| gerne mugt ir hoeren, wie die dörper sint gekleidet: üppiclîch ist ir gewant. |
Ihr wollt bestimmt gerne hören, wie sich die Bauern kleiden: Übertrieben ist ihr Gewand.
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| Enge röcke tragent sî und smale schaperûne, |
Enge Westen tragen sie und kurze Mäntel,
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| rôte hüete, rinkelohte schuohe, swarze hosen. |
rote Hüte, Schnallenschuhe, schwarze Hosen.
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| Engelmâr getet mir nie sô leide an Vriderûne, |
Engelmar hat mir mit Friederun nie so Leid zugefügt,
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| sam die zwêne tuont. ich nîde ir phellerîne phosen, |
wie es die beiden tun. Ich hasse ihre seidene Gürteltaschen,
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| die si tragent: dâ lît inne ein wurze, heizet ingewer. |
die sie tragen: darin liegt eine Wurzel, die heißt Ingwer.
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| der gap Hildebolt der guoten eine bî dem tanze; die gezuhte ir Willegêr. |
Die gab Hildebolt der Guten bei dem Tanz, die entriss ihr Willeger.
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| Gern west ich, wie es die torpper vnter einander trachten. |
Gerne wüsste ich, was die Bauern tragen wenn sie zusammen sind.
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| sie trugen peckkelhauben, darczu lange swert |
Sie trugen Pickelhauben, dazu lange Schwerter.
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| ir spottigkeit, ir laster sie gar zu laster brachten: |
Ihre Spotten, ihre Vergehen brachten vollkommene Schande herbei:
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| des wurdens durch die goller mer denn halb gewert. |
daher wurden sie durch das Späße treiben noch mehr verdorben.
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| sie stritten mit einander einen ganczen summer langen tag. |
Sie stritten einen ganzen langen Sommertag miteinander.
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| das ir geläße sahe herre Neithart, do er in dem vas bey dem wein lag. |
Da sah Herr Neidhart ihr Benehmen, als er bei dem Fass Wein stand.
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| Sagte ich nû diu maere, wie siz mit ein ander schuofen, |
Erzählte ich nun die Geschichte, was sie miteinander treiben,
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| des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant. |
das weiß ich nicht: Ich machte mich schnell davon.
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| manneglîch begunde sînen vriunden vaste ruofen; |
Jeder begann seine Freunde laut zu rufen;
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| einer der schrê lûte: „hilf, gevater Weregant!“ |
einer schrie laut: „Hilfe, Gevatter Weregant!"
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| er was lîhte in grôzen noeten, dô er sô nâch helfe schrê. |
Er befand sich in großer Not, als er so nach Hilfe schrie.
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| Hildeboldes swester hôrte ich eines lûte schrîen: „wê mir mînes bruoder, wê!“ |
Hildeboldes Schwester hörte ich laut schreien: „ Oh weh mein Bruder, oh weh!"
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| Dô kam schiere ein geteline geloufen von dem strîte: |
Da kam bald ein Bursche von dem Streit herbeigerannt;
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| den frâgt ich der maere. "Willeher mit ellen streit. |
den fragte ich nach der Geschichte. „Willeher streitet mit Ellen(bogen).
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| Hildeboltes schapperûn der ist zerzerret wîte |
Hildebolts Mantel ist überall zerissen
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| und dar zuo sîn enger roc wol drîer spannen breit." |
und dazu sein enges Obergewand wohl drei Spannen breit.“
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| daz geschach umb eine wurzen, die man ûz der hende ir brach. |
Dies geschah wegen einer Wurzel, die man ihr aus den Händen riss.
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| des engalt vil mangiu spaehiu hûbe, die man bî dem tanze zerzerret ligen sach. |
Daher geht es um viele schöne Hauben, die man bei dem Tanz <dort> zerrissen liegen sah.
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| Wâ bî sol man mîn geplätze hinne vür erkennen? |
Wodurch soll man mein Geschwätz künftig erkennen?
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| hie envor dô kande man iz wol bî Riuwental. |
Früher erkannte man es wohl unter dem Namen Reuental.
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| dâ von solde man mich noch von allem rehte nennen: |
So sollte man mich noch zu Recht nennen:
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| nust mir eigen unde lêhen dâ gemezzen smal. |
Nur habe ich nicht viel an Eigentum und Lehen.
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| kint, ir heizet iu den singen, der sîn nû gewaltic sî! |
Kinder, lasst den singen, der am stärksten ist!
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| ich bin sîn verstôzen âne schulde: mîne vriunt, nu lâzet mich des namen vrî! |
Ich wurde unschuldig von dort verstoßen: Meine Freunde, hört auf mich so zu nennen!
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| Ich hân mînes herren hulde vloren âne schulde: |
Ich habe die Ehre meines Herren dadurch verloren:
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| dâ von so ist mîn herze jâmers unde trûrens vol. |
Jetzt ist mein Herz voller Jammer und Trauer.
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| rîcher got, nu rihte mirz sô gar nâch dîner hulde, |
Erhabener Gott, vergebe mir und richte mich nach deinem Wunsche,
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| manges werden friundes daz ich mich des ânen sol! |
lass mich Freunde finden, sodass ich mich an deiner Huld erinnern soll!
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| des hân ich ze Beiern lâzen allez, daz ich ie gewan, |
Ich werde alles, was ich je gewann, in Bayern aufgeben,
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| unde var dâ hin gein Ôsterrîche und wil mich dingen an den werden Ôsterman. |
und nach Österreich gehen und ein neuer Mann werden.
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| Mîner vînde wille ist niht ze wol an mir ergangen: |
Der böse Wille meiner Freunde ist bei mir nicht so gut ausgegangen:
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| wolde ez got, sîn mähte noch vil lîhte werden rât. |
Wollte es Gott, so könnte seine Macht etwas davon abwenden.
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| in dem lande ze OEsterrîche wart ich wol enphangen |
In dem Land Österreich wurde ich sehr gut empfangen
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| von dem edeln vürsten, der mich nû behûset hât. |
von dem edlen Fürsten, der mich nun behütete.
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| hie ze Medelicke bin ich immer âne ir aller danc. |
Hier in Melk bin ich immer allen sehr dankbar.
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| mir ist leit, daz ich von Eppen und von Gumpen ie ze Riuwental sô vil gesanc. |
Ich bin es Leid, dass ich von Eppen und Gumpen im Reuental so viel gesungen habe.
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| Her Nîthart hât uns hie verlâzen als diu krâ den stecken, |
Herr Neidhart hat uns hier verlassen wie die Krähe den Pfahl,
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| diu dâ hinne fliuget unde sitzet ûf ein sât. |
die fliegt dahin und lässt sich auf einem Saatfeld nieder.
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| ez sol ein man mit fremden frouwen niht ze vil gezecken, |
es soll ein Mann nicht zu viel mit fremden Frauen herumnecken,
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| der der wâren schulde an sîner keine vunden hât. |
der an seiner wahren Schuld keine (Wunden hat).
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| er niez sîn tegelîche spîse (der hât er dâ heime genouc), |
er genießt seine tägliche Speise (von der hat er daheim genug),
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| lâz Hildebolten mit gemache! ez was ein eichel, die er bî im in dem biutel truoc. |
lass Hildebolt in Ruhe! Es war eine Eichel, die er bei sich in dem Beutel trug.
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| Rädelohte sporen treit mir Fridepreht ze leide, |
Radförmige Sporen trägt Fridepreht mir zum Leide,
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| niuwen vezzel hât er baz dan zweier hende breit. |
einen neuen Schwertgurt hat er, mehr als zwei Hände breit.
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| rucket er den afterreif hin wider ûf die scheide, |
Wenn er das Band (den Schwerthalter) wieder auf die Schwertscheide zieht,
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| wizzet, mîne vriunde, daz is mir ein herzenleit! |
wisset, meine Freunde, dann tut mir das weh im Herzen!
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| zwêne niuwe hantschuoh er unz ûf den ellenbogen zôch. |
Zwei neue Handschuhe zog er bis auf den Ellbogen hoch.
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| mugt ir hoeren, wie der selbe gemzinc von der lieben hiuwer ab dem tanze vlôch? |
Wollt ihr hören, wie derselbe Gemsbock von der Lieben dieses Jahr vor dem Tanz floh?
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| Er gap versengelt wol, rehte als im waer an gebunden |
Er lief gewiss davon, geradewegs als ob ihm
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| ein swînes blâse, alsô man den wilden hunden tuot. |
eine Schweinsblase angebunden worden wäre, wie man es bei den wilden Hunden macht.
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| ofte brach er sînen zelt, als sî doch wol befunden, |
Oft unterbrach er seinen Schritt, wenn sie ihn auch wirklich bemerkten,
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| Hatze und Pletze und jeniu ir gespile Hademuot. |
Hatze und Pletze und jene, ihre Freundin Hademuot.
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| frâget Engeltrûten, wiez laeg umbe ir bruoder Fridebreht! |
Fragt doch Engeltrut, wie es um ihren Bruder Fridebreht steht!
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| "ach ach, er hât verrenket sich vor vorhte", alsô hât si mir geseit, "der toersche kneht." |
„Ach ach, er hat sich vor Angst verdreht“, so hat sie mir erzählt, „der dumme Knabe.“
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